Die römische Herrschaft hier am Mittelrhein dauerte etwa 460 Jahre, von 56 v.Chr. (Kurzfassung : v./n.) bis 402 n. Chr. (n.), von Caesar bis Valentinian II. Wenn hier Zahlen und Fakten genannt werden, dann sind immer auch Zweifel erlaubt. Eine christliche Zeitrechnung, die wir hierbei einfach unterstellen, gibt es in Anfängen erst seit dem Jahr 525 n. Durchgesetzt hat sie sich in Mitteleuropa aber erst seit dem 17.Jh. Alle Zeitangaben mussten also in der Neuzeit umgerechnet werden, mit allen Risiken, die eine solche Vorgehensweise mit sich bringt. Bei den Fakten gilt: der Sieger schreibt die Geschichte und das waren - über sehr lange Zeit - die Römer, andere frühe schriftliche Quellen, z.B. fränkische oder sonstige germanische, gibt es aus dieser Zeit - auch über unseren geographischen Bereich - nicht. Gregor von Tours (Ende des 6.Jh.) hat als erster so etwas wie eine fränkische Geschichte verfasst, in der er auch über Koblenz berichtet. Trotz dieser Einschränkungen hinsichtlich der Zeitangaben und der sicher auch einseitigen römischen Quellen, ist die römische Herrschaft am Mittelrhein eine äußerst spannende Zeit, denn sie hat unsere Städte, unsere Sprache, unsere Kultur und sogar die Landschaft entscheidend geprägt, und es lohnt sich, sie für Koblenz hier - in Ansätzen - darzulegen.
Mit Caesar kommt - nachdem er mit mehreren Legionen durch Gallien/Frankreich gezogen war - etwa 55 v. die ganze militärische und organisatorische Macht des Imperium Romanum in unsere Gegend. Bis dahin hatten die Treverer/Kelten ein durchaus modernes Gemeinwesen aufgebaut, sie waren also von den Eindringlingen sicher nicht begeistert! Das Neuwieder Becken (nur wenige Kilometer von Koblenz entfernt) fanden die röm. Strategen hervorragend geeignet, um eine militärische Demonstration gegenüber den Germanen auf dem rechten Flussufer zu veranstalten. Angeblich in zehn Tagen wurde dort eine feste Brücke über den Rhein geschlagen, Truppen über den Fluss in Marsch gesetzt und damit die Germanen in Angst und Schrecken versetzt. Vorher hatten die Römer - auf der linken Seite - fränkisch/germanisch/keltischen Widerstand z.T. auf brutale Weise nieder gemacht. Eine römische Legion umfasste mit allen Hilfstruppen fast 9000 Mann und war streng hierarchisch organisiert. Eine solche Truppe durch fremdes Land zu führen, zu verpflegen und mit Unterkünften zu versorgen, war eine organisatorische Meisterleistung. Caesar hat sich nicht lange auf dem rechten Rheinufer aufgehalten und die Brücke auch bald wieder abbrechen lassen. Eine mehr oder weniger dauerhafte Rheinbrücke wurde bei Koblenz erst 49 n. errichtet.
Die nächste wichtige Epoche am Rhein war die Zeit, in der Drusus (38 v. - 9 v.) - etwa ab dem Jahr 13 v. - im Auftrag von Augustus (römischer Kaiser/63 v. - 14 n.) die Rheingrenze mit festen Truppenlagern sicherte. Ein solches (von ca. 50) Drusus-Kastell gab es auch in Koblenz (Germania superior). Die wichtigsten (bekanntesten) waren Basel, Mainz, Köln und Xanten. Koblenz gehörte zum Militärbezirk von Mainz (Mogontiacum). Trier- im geschützten Hinterland- war kein Kastell, sondern das Zentrum für Nachschub, Verwaltung und Kultur (für aufwendige, luxseriöse römische Lebensweise). Die Drusus-Kastelle waren Befestigungen aus Holz, mit Gräben und Erdwällen, sowie entsprechenden Unterkünften für die Besatzung. Im Umfeld eines solchen Lagers siedelten sich immer Einheimische an, die Hilfsdienste gegen Bezahlung leisteten, Handwerker, Bauern, Händler, Wirte, Tagelöhner. Neuere Grabungen in Koblenz lokalisieren dieses Kastell im Bereich der Kastorkirche, wobei solche Anlagen auch recht schnell verlegbar waren. Man kann daher auch hier an den immer hochwasserfreien Bereich der Altstadt denken. Drusus starb bereits 9 v. Wie lange dieses Kastell in Koblenz seine Funktion als Militärlager hatte, ist unbekannt. Spätestens nach dem Bau des Limes wurde es aber aufgegeben und an seine Stelle trat eine offene, nicht mehr primär militärische Bebauung, sicher weit über den Altstadtbereich hinaus. Der ganze südwestdeutsche Raum war damals vielfach erschlossen und mit zum Teil luxuriösen Anwesen besiedelt.
Koblenz war auch damals vor allem als Verkehrsknotenpunkt von erheblicher Bedeutung. Rhein, Mosel und Lahn waren mehr oder weniger bedeutende Schifffahrtswege, auf denen die Römer, selbst bei Niedrigwasser, mit flachen Lastkähnen Nachschub für die Rheinlinie (Kastelle) und darüber hinaus (Limes) transportierten. Auch ein lebhafter Handel mit lokalen Gütern wie Steinen, Erzen und Lava fand statt. Umgekehrt wurden Erzeugnisse aus dem Süden, Öle, Gewürze, Früchte zu den röm. Abnehmern transportiert. Aber auch wichtige Fern-Straßen führten über Koblenz, insbesondere die Verbindungen Mainz -Köln und die Straße nach Trier. Natürlich wurden auch nach und nach die umliegenden linksrheinischen Gebiete, die als landwirtschaftliche Versorgungs- und Siedlungsbasis wichtig waren, mit einem lokalen Netz von Straßen erschlossen. Wir können uns also Koblenz in der friedlichen Zeit - spätestens seit 82 n. - als eine aktive, kleinere römische Ansiedlung vorstellen, mit allem was dafür notwendig war. Es war aber in keiner Weise mit der späteren römischen „Weltstadt“ Trier vergleichbar. Obwohl Koblenz sicher nur mittelbar betroffen war, spielten zwei Ereignisse in der Folgezeit für die röm. Politik am Rhein eine besondere Rolle. In der Varus-Schlacht (9 n.) konnte ein gut geführtes Heer von Germanen unter Arminius ein größeres römisches Heer - unter ihrem Anführer Varus - vernichten, eine Niederlage, die einiges Aufsehen erregte und die selbst das „große Rom“ empfindlich traf. Arminius, ein Germane, war im römischen Heer bestens ausgebildet worden und daher in der Lage, diesen überraschenden Sieg zu erringen. Wo diese Schlacht genau stattfand, ist bisher nicht mit letzter Sicherheit zu bestimmen, man nimmt aber an in der Nähe von Osnabrück (Kalkriese).
Eine zweite Erschütterung der römischen Sicherheit am Rhein brachte der Aufstand der Bataver (69 n.). Diese germanischen Hilfstruppen (von den Römern gut ausgebildet) rollten (wegen Meinungsverschiedenheiten mit ihren römischen Vorgesetzten) die Rheinfront von den Niederlanden her auf und plünderten die Ansiedlungen am Rhein. Selbst Trier soll von ihnen verwüstet worden sein. Erst 71 n. war diese Gefahr gebannt und es begann eine fast 200-jährige Friedenszeit am Rhein. Etwa ab dem Jahr 80 n. errichteten die Römer unter Domitian (51 - 96 n.) den nieder-germanischen und den ober-germanischen Limes, ebenfalls eine organisatorische Meisterleistung. Während der Rhein ab der Nordsee aufwärts im Wesentlichen die Grenze bildete, überschritt man den Fluss kurz vor Koblenz, um ihm auf der rechten Rheinseite mit immer größerem Abstand zu folgen, und später dann dem Neckar, auch in erheblichem Abstand. Nachfolgend war dann in etwa die Donau die Grenze.
Betrachten wir unsere lokale Situation hinter dem Limes bei Koblenz. Wenige Kilometer entfernt bei Neuwied-Niederbieber befand sich ein großes Kastell, wo etwa 1.000 Mann stationiert waren. Erbaut wurde es unter Kaiser Commodus (Kaiser von 180-192 n.) Der rechteckige Lager-Bezirk hatte eine Ausdehnung von 200 x 265 m mit vier gesicherten Toren, mit Wall, Graben und Palisaden. Um diese Anlage herum befand sich das Lagerdorf (vicus). Der Limes war keine unüberwindbare Grenzbefestigung, sondern eher die gut sichtbare Markierung einer Einflusszone, die kriegerisch zu überschreiten schwere Konsequenzen mit sich brachte. Dieses Bollwerk (500 km lang mit rund 1000 Türmen) gegen die Germanen war eine gigantische Leistung. Die Besatzungen der Kastelle waren in der Lage, sich gegenseitig zu unterstützen und kurzfristig jede feindliche Übertretung zu ahnden. Friedlicher Handel und die gegenseitige Kontaktaufnahme waren aber sehr wohl erwünscht. Auch bei Koblenz Ehrenbreitstein-Niederberg gab es ein mächtiges Kastell (aus der Zeit von Kaiser Domitian 81 - 96 ) mit entsprechendem Vicus . Hier war die XXII Legion fast 300 Jahre die prägende Kraft.
Mehr und mehr verlor das römische Reich jedoch an Kraft und musste sich immer stärker auf fremde Hilfstruppen aus dem gesamten Imperium verlassen. Mitte des dritten Jahrhunderts konnten die Germanen die Grenze (den Limes) in unserem Bereich überwinden und wichtige Kastelle stürmen. Niederbieber fiel 259, dabei sollen fast 1000 Mann spanischer Hilfstruppen erschlagen worden sein. Nach dieser Niederlage und erheblichen Problemen an anderen Stellen verlegte man sich auf die Befestigung des linken Rheinufers, und es beginnt die Zeit der römischen Festung Koblenz. Konstantin (306-337) und später Valentinian I ließen ab dem 4. Jh. die wichtigsten Stützpunkte am Rhein zu wehrhaften Festungen ausbauen. Die Koblenzer Festung hatte einen Umfang von fast 6 ha, mit 19 gewaltigen Türmen (z.T. 4 m dicke Mauern) und mehreren (vermutlich 4) Toren. Koblenz war Sitz eines höheren Truppenbefehlshabers.
Unser Bild (siehe Illustration) zeigt die Gebäude einer typisch röm. Festung. Koblenz könnte damals auch so ähnlich ausgesehen haben, die Lage geprägt durch Rhein und Mosel. Diese Festung hat Koblenz für viele Jahrhunderte geprägt und der Stadt ein Bild gegeben, das wir heute noch ohne große Einbildungskraft nachzeichnen können. Die Festung diente dem Schutz der wichtigen röm. Moselbrücke (wenig unterhalb der heutigen alten Moselbrücke) und der verschiedenen überregionalen Straßenverbindungen. Auch Andernach und Boppard wurden mit starken spätrömischen Befestigungswerken versehen. Diese Zeit der Festungen dauerte aber nicht sehr lange. Anfang das 5. Jh. (402/405) zogen sich die Römer aus Koblenz zurück. 413 übernahmen die Franken erstmals Trier, um es 475 endgültig zu okkupieren. Köln ging bereits 450 für die Römer verloren.
Im Jahre 481 übernahm Chlodwig das fränkische Königsamt. Mit Gregor von Tours, der mit einer fränkischen Delegation 585 auch Koblenz besuchte, schließt sich dann der Kreis um das römische Koblenz, dem sich ein ebenso interessantes fränkisches Koblenz anschließt (siehe untere Infotafel neben Wandbild).
Text: Wolf-Dieter Kresse, Brunnenhof Königspfalz e.V., Herbst 2012